Pro und Contra Sterbehilfe: Wie will ich sterben?

06. Apr 2023

HBK Singen: Große Publikumsresonanz auf die Veranstaltung zum „assistierten Suizid“

Sie vertraten auf dem Podium ihre Positionen (v.l.n.r.): Palliativmediziner Dr. Michael Kurz, Patientin Reinhild Kappes, SPD-Politiker Prof. Dr. Lars Castellucci und Dr. Stefan Bushuven., Krankenhaus-Ethiker. Die Moderation hatte Prof. Dr. Jan Harder, Leiter des Onkologischen Zentrums Hegau-Bodensee. Bild: Jagode
Sie vertraten auf dem Podium ihre Positionen (v.l.n.r.): Palliativmediziner Dr. Michael Kurz, Patientin Reinhild Kappes, SPD-Politiker Prof. Dr. Lars Castellucci und Dr. Stefan Bushuven., Krankenhaus-Ethiker. Die Moderation hatte Prof. Dr. Jan Harder, Leiter des Onkologischen Zentrums Hegau-Bodensee. Bild: Jagode

(Singen). Assistierter Suizid – ein schwieriges Thema, ein vielschichtiges Thema und eines, das den Menschen unter den Nägeln brennt. Wie sehr zeigte die gemeinsame Abendveranstaltung der Krankenhausseelsorge und des Arbeitskreises Klinische Ethik (AKE) Singen am Hegau-Bodensee-Klinikum Singen und des Hospizfördervereins Singen-Hegau. Sie hatten am 4. April unter dem Titel „Bitte helfen Sie mir zu sterben“ in die Lutherkirche zu einem Podiumsgespräch mit anschließender Diskussion eingeladen. Auch in diesem Frühjahr wollten die Veranstalter mit ihrer jährlichen Auftaktveranstaltung Denkanstöße geben zu aktuellen und gesellschaftsrelevanten Themen, zum Erfahrungsaustausch einladen und zu Gesprächen und Nachdenken anregen. „Wir sind bei diesem Thema noch Suchende“ bekannte Klinikseelsorger Christoph Labuhn in seiner Einführung.

Das gilt auch für die Politik. Noch ist unklar wo die Reise hingeht. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Das bedeutet, dass jeder, der sich freiverantwortlich für einen Suizid entscheidet, das Recht hat, eine Suizidassistenz in Anspruch zu nehmen. Aktuell befindet sich der assistierte Suizid in Deutschland einer rechtlichen Grauzone. Nun muss der Bundestag die Sterbehilfe neu regeln. Dazu gibt es drei Gesetzesinitiativen. Ein Vorschlag stammt von dem SPD Politiker Prof. Dr. phil. Lars Castellucci. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Neckar-Kreis will, dass ein assistierter Suizid grundsätzlich strafbar, aber unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist. Warum, das erklärte er bei der gut besuchten Veranstaltung in der Lutherkirche.

Weit über 200 Bürgerinnen und Bürger aus Singen und dem ganzen Hegau waren gekommen, um Informationen und damit eine Orientierungshilfe zu bekommen bei einem ganz persönlichen Thema, das irgendwann jeden betrifft. „Wie will ich sterben?“ – eine Frage, die sich schon viele im Publikum gestellt haben.

Eine Frage, die sich auch Reinhild Kappes gestellt hat. Sie saß als unheilbar Kranke auf dem Podium, um zu berichten wie sie sich ihr Lebensende vorstellt und wie sie dieses Ziel erreichen will. Auf alle Fälle selbst bestimmt. Mit ihr saß Dr. Stefan Bushuven, Krankenhausethiker und Chefarzt des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) auf dem Podium. Er startete den Abend mit einer Begriffsbestimmung – Was ist selbst bestimmt? Was ist Autonomie, was bedeutet freier Patientenwille? Welche Formen von Sterbehilfe gibt es?

Das Dilemma, in dem sich die Politik befindet im Ringen um die beste Lösung zeigte Prof. Dr. Lars Castellucci, auf. Eine Regelung für alle zu finden - das macht es so schwer. Er will assistierten Suizid nicht verhindern, aber Suizid dürfe nicht zur Normalität werden, so sein Ansatz. Er will die Suizidprävention ausbauen. Aber wie soll das in der Praxis funktionieren, wollte das Publikum von ihm wissen. Es mangelt schon heute an Psychologen. Kommt da gar neue Bürokratie am Ende des Lebens auf uns zu?

Dr. Michael Kurz, Palliativmediziner, erklärte was die Palliativmedizin leisten kann – als Alternative zum assistierten Suizid. Es gibt die palliative Sedierung als indirekte Sterbehilfe. Das heißt: Es ist schon heute erlaubt, Medikamente zu geben, um Leiden zu lindern und zu vermeiden, auch wenn es eine Verkürzung des Lebens bedeutet. Das trifft für Menschen zu, die unheilbar krank und deshalb in ärztlicher Behandlung sind. Was aber machen die anderen? Die lebenssatten Alten? Diejenigen die an Demenz erkrankt sind und sich nicht mehr klar äußern können?

Prof. Dr. med. Jan Harder, Chefarzt des Onkologischen Zentrums am Klinikum Singen, zog am Ende des langen, aber keineswegs langweiligen Abends für sich das Fazit: „Wir wünschen uns eher das Sterben an einer Hand als durch eine Hand“. Er warb für die Patientenverfügung, die es den Ärzten im Krankenhausalltag erleichtert, den Patientenwillen um zu setzen. Harder moderierte engagiert die lebendige Diskussion, die viele Fragen beleuchtete und viele Antworten gab – auch auf die zahlreichen Publikumsfragen, die Christina Wöhrle und Andrea Jagode gesammelt, strukturiert, zusammen gefasst und an das Podium weiter gegeben hatten.

Gut informiert fühlte sich nach rund zweieinhalb Stunden, die so spannend waren, dass sie schnell verflogen, auch Gabriele Eckert vom Hospiz Förderverein. Sie fasste die Veranstaltung am Ende zusammen und dankte allen Beteiligten für eine gelungene Veranstaltung, zu der auch Simon Götz mit seinen Saxophonklängen und das Team von „Zweite Hilfe inklusive“ von der Caritas Singen Hegau beigetragen hatten. Das Team vom Besuchsdienst im Rahmen des Inklusiven Krankenhauses hatte die Bewirtung übernommen.

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